Pfingsten – die „weibliche“ Seite Gottes

Wir wissen, dass Gott weder männlich noch weiblich ist. Und doch haben männliche Gottesbilder auf uns einen starken Einfluss. Geprägt sicher durch Gebete wie zum Beispiel das Vater unser…

Dabei wird schon in der Bibel immer wieder von Gott auch in weiblicher Form gesprochen. So wird vom göttlichen Geist (hebräisch „ruah“ durchweg in femininer Form gesprochen. Was wäre in unserer Vorstellung vom „Heiligen Geist“ passiert, wenn in der Vergangenheit immer nur von der „Heiligen Geistin“ gesprochen worden wäre.

Was hätte das für unsere Gottesvorstellung und für unser christliches Selbstverständnis bedeutet?

Man hätte z.B. das Weibliche in Gott nicht  auf Maria übertragen müssen…

Wenn unsere Künstler auf ihren vielen Bildern die Erotik Gottes in ihm selber, als Hl. Geistin hätten darstellen können, würden wir vielleicht zu einem mehr weiblichen Gott beten. Die Kinder würden nicht einen alten Mann mit einem Bart malen, wenn sie mit ihren Farbstiften Gott malen wollen. Sie würden eine liebende  Mutter oder einfach eine Frauengestalt malen, und das wäre für sie durchaus legitim.

Der älteste Gottesname im Alten Testament ist El shaddaij. Shaddaij aber bedeutet im Hebräischen „Mutterbrust“. Der älteste Gottesname der Bibel stammt also noch aus der matriarchalen Zeit bzw. aus der matriarchalen Religion.

Auch in der Sprache Jesu war der Geist (ruah) weiblich . Wenn in einer Sprache eine Gestalt weiblich ist, dann schwingt da auch etwas Weibliches im Wort mit: Mütterlichkeit, Erbarmen, Nähe, Geborgenheit, Wärme, Gefühl, Schönheit, Körperlichkeit und Eros.

Wie schon erwähnt, ist das aramäische Wort (also in der Sprache Jesu) für Geist „Ruah“. Ruah ist weiblich und hat auch die Bedeutung von „Atem“, was wiederum zurückgeht auf das indische Sanskrit „Atman“, was mit Lebenshauch, individuellem Selbst und mit Seele übersetzt wird,  und dem nahe kommt, was wir mit Gott bezeichnen. Die Ruah (Geist) Gottes schwebte bei der Erschaffung der Welt über den Wassern. „Lebenshauch“, ein schöner Name für das, was wir mit dem dem Wort „Gott“  benennen, aber nie erfassen können…

Letztendlich aber geht es gar nicht darum, das weibliche in uns selber zu leben. Das Göttliche verlangt unbedingte Hingabe und Empfangsbereitschaft. Das aber ist das eigentlich Weibliche. Und nur über diese weibliche Grundhaltung – ganz gleich, ob wir Mann oder Frau sind – können wir das Göttliche erfahren. „Es ist die kosmische Kraft der Hingabe, die wir in der Gestalt der Frau feiern und uns in der Gestalt Marienes ins Bewusstsein gerufen wird,“ schreibt der Benediktinermönch und Zenlehrer Willigis Jäger. Die ganze Schöpfung selber ist “weiblich“, denn sie existiert nur aus der Kraft des Göttlichen. Empfangend sollte unsere menschliche Grundhaltung sein. Denn Göttliches können wir immer nur „empfangen“,  nur so kann es in uns wachsen. „Denn alles wirklich Große ist nicht etwas, was wir gemacht haben, sondern was in uns gereift ist“.

 

Manfred Otterstätter

Pfingsten 2021