Liebe Gemeinde

Für jedes Jahr gibt es von der ev. Kirche eine „Jahreslosung”

Gleichsam ein Thema für die nächsten 12 Monate…

Für 2021 ist das :

„Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist!”

Lukas 6,36

Zur Jahreslosung 2021

Gespräche im Geschwisterkreis über die Eltern können sehr aufschlussreich sein. Erstaunlich, wie unterschiedlich Vater und Mutter von ihren Kindern wahrgenommen werden. Manches bricht erst nach dem Tod eines Elternteils auf. Da können Sätze fallen wie: „Redest du gerade von unserem Vater? Habe ich da was verpasst oder du was verdrängt?“ Oder: „Ich werde es nie vergessen, wie Papa mich in meiner schwierigen Phase nicht fallen ließ!

„Gott ist barmherzig“, behauptet Jesus, und fordert auch uns auf:

„Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist.“

Der Arzt Lukas erzählt in seinem Evangelium die meisten Heilungsgeschichten. Er richtet seinen Blick nicht auf die Mächtigen, sondern auf die Schwachen und Beladenen: auf Kranke, Hirten, Huren, Witwen, Waisen, auf die „Zöllner und Sünder“. Ihr Leid geht Jesus ans Herz und treibt ihn an Orte, die alle anderen meiden. Er ist da, wo die Starken den von Gott gesandten Messias niemals suchen würden.

Das begann schon mit seiner Geburt. Die Künstlerin Stefanie Bahlinger wählt einfaches Sackleinen als Untergrund ihrer Grafik, in deren Mitte ein kleines von warmem Rot umgebenes Kind liegt – ein Hinweis auf die ursprüngliche Bedeutung von „Barmherzigkeit“: Gebärmutter, Mutterleib. In diesem Kind kommt Gott selbst zur Welt, in die Niederungen seiner geliebten Schöpfung. Angedeutet durch einen Ausschnitt des Erdenrunds dahinter. Genau dieses Motiv des heruntergekommenen Gottes wählt die Künstlerin zur Illustration seiner „Ureigenschaft“, seiner Barmherzigkeit. In Jesus wird sie greifbar, macht Gott sich angreifbar. So ist das von warmem Gelbgold umstrahlte göttliche Kind schon gezeichnet durch das Kreuz.

Wer Jesus begegnet, erfährt Heil und Rettung im Hier und Jetzt. „Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen“, so kündigt Johannes der Täufer Jesus an.

Gott liebt und erbarmt sich seiner Menschenkinder.

Er sucht Verlorene und feiert Freudenfeste für Gefundene. Jesus zitiert das Prophetenwort aus Jesaja 61 und weiß es in seiner Person erfüllt:

„Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat und gesandt, zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und die Zerschlagenen zu entlassen in die Freiheit und zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn.“ (Lukas 4, 18. 19)

Wir brauchen eine Kultur der Barmherzigkeit, wenn wir Menschen bleiben wollen. Wo sie fehlt, wird es schnell fürchterlich. Ohne Barmherzigkeit verschwindet der Menschheit der empathische Sinn für die Not der anderen. Und Herzlosigkeit gegenüber dem Leid der Fremden zerstört auf Dauer nicht nur unser Gemeinwesen, jedes Miteinander, sondern untergräbt den Zusammenhalt auf unserem Planeten, auf dem wir selbst Fremde sind. Barmherzigkeit ist immer privat und politisch.

Ein lichtvolles Gnadenjahr 2021 wünsche ich Ihnen persönlich und uns allen gemeinsam nach den dunklen Corona-Monaten.

Herzlich  Manfred Otterstätter

Pfarrer in der Ev. Kirche Costa del Sol